DEN ÜBERBLICK BEHALTEN MIT AR/VR

Bildschirme, die mit Wellenleitern mit hohen Refraktionsindex hergestellt wurden, bieten ein größeres Sichtfeld und liefern dadurch eine viel bessere immersive Nutzererfahrung.

 

7. Februar 2024 von Coherent

Erinnern Sie sich an die ersten Mobiltelefone, die die Größe eines Ziegelsteins hatten und ungefähr genauso leicht zu halten waren? Heute sind es elegante, leistungsfähige Wunderwerke, die wir alle mühelos in die Hosen- oder Handtasche stecken und nicht mehr missen möchten. 

Augmented-Reality-Brillen (AR) stehen vor einem ähnlichen Wandel, mit dem Ziel, dass sie irgendwann genauso bequem und einfach zu tragen sind wie herkömmliche Brillen. Fortschritte bei Mikroprozessoren, Sensorik und Konnektivität unterstützen diese Entwicklung bereits. 

Eine der größten technischen Herausforderungen für AR-Geräte ist jedoch immer noch der Bildschirm selbst. Das Problem besteht insbesondere darin, Bildschirme zu erschaffen, die die hohen Leistungsanforderungen des menschlichen visuellen Systems erfüllen und gleichzeitig klein und leicht sind. Und zudem wirtschaftlich in der Herstellung. 

 

Ziele beim Design von AR-Headsets

Um gute AR-Bildschirme zu erschaffen, müssen die Designer mehrere verschiedene Ziele gleichzeitig erreichen. Erstens müssen Gesamtgröße, Gewicht und Schwerpunkt einer AR-Brille so optimiert werden, dass sie bequem genug ist, um sie über längere Zeiträume hinweg tragen zu können. 

Außerdem sind mehrere wichtige Anforderungen an die visuellen Eigenschaften des Bildschirms zu stellen. Man könnte einige dieser Dinge mit dem Begriff „kristallklar“ zusammenfassen. Dazu gehören Eigenschaften wie Winkelauflösung und Füllfaktor (der Leerraum zwischen Pixeln). Auch Farbumfang und Genauigkeit der Farbwiedergabe müssen berücksichtigt werden. 

Hinzu kommt der stereoskopische Aspekt des Bildschirms. Bei einem solchen Bildschirm ist es nämlich notwendig, die scheinbare Größe, Entfernung und Position der vom Headset angezeigten Objekte genauestens auf die direkte Sicht der realen Welt abzustimmen. Und die Anzeige muss schnell genug aktualisiert werden, wenn sich der Träger oder die Dinge in der Umgebung bewegen. 

Auch die problemlose Zusammenführung des stereoskopischen Bildes (das im Gehirn durch die getrennten Ansichten des linken und rechten Auges auf dem Bildschirm erzeugt wird) ist von entscheidender Bedeutung, da es bei einem Großteil der Bevölkerung fast sofort zu einer Überanstrengung der Augen und Unbehagen führt, wenn es hiermit Probleme gibt. Fragen Sie die Leute einfach, was sie über 3D-Filme denken, wenn Sie das nicht glauben mögen. 

Zusätzlich gibt es einige weitere wichtige Überlegungen zum Konzept der „Immersivität“. Diese nimmt nämlich um so mehr zu, je größer das Sichtfeld des Trägers ist, welches der Bildschirm abdecken kann. Technisch wird dieses Sichtfeld als „Field-of-View“ (FOV) des Bildschirms bezeichnet. Weiterhin muss darauf geachtet werden, dass eine AR-Brille für Verbraucher all diese Anforderungen für eine Bevölkerung mit vielen verschiedenen Kopfgrößen und Augenabständen (dem sogenannten Pupillenabstand oder IPD) erfüllen muss.  

 

Wellenleiter sind vielversprechend

Wie wir bereits in unserem vorherigen Post über die AR-Technologie ausführten, besteht die besondere Herausforderung bei AR-Headsets darin, dass der Bildschirm nicht direkt vor den Augen des Betrachters sitzt. Im Gegensatz dazu blickt der Betrachter bei einem VR-Headset direkt in den Bildschirm, und es wird eine Optik verwendet, um ihn weiter entfernt und größer erscheinen zu lassen. Optisch betrachtet ist das eine relativ einfache Aufgabe.

Die Optik des AR-Headsets muss eine transparente Komponente, einen sogenannten „optischen Kombinierer“, verwenden, der Licht von außen durchlässt, um dem Benutzer einen direkten Blick auf die reale Welt zu ermöglichen. Außerdem muss es die Ausgabe der Optik-Engine vom Rand zur Mitte des Kombinierers und von dort zum Auge des Betrachters umleiten. Auf diese Weise werden die computergenerierten Bilder über die Ansicht der realen Welt gelegt. Dies ist eine viel kompliziertere Aufgabe als die der VR-Headset-Optiken. 

Zu diesem Zweck wurde eine Vielzahl sehr cleverer optischer Systeme entwickelt, und planare Wellenleiter sind eine der vielversprechendsten Technologien, die derzeit hierfür eingesetzt werden. Ein planarer Wellenleiter ist wie ein winziger, transparenter Kanal, der Licht von einer optischen Engine zu den Augen des Betrachters leitet. Wellenleiter halten das Licht in sich, indem sie das Phänomen der „totalen inneren Reflexion“ (TIR) ​​nutzen, das gleiche Prinzip, das auch bei optischen Fasern verwendet wird.

TIR tritt auf, wenn Licht von einem dichteren Material (wie Glas) in Richtung eines weniger dichten Mediums (wie Luft) strahlt. Dabei wird der Lichtstrahl „gebrochen“ – er ändert seine Richtung. Aufgrund dieser Brechung funktionieren Linsen. 

Trifft der Lichtstrahl jedoch in einem ausreichend flachen Winkel auf die Grenze zwischen den beiden Materialien, wird er vollständig zurückreflektiert; er verlässt das Material überhaupt nicht. Der Winkel, ab dem das auftreffende Licht das Material nicht mehr verlassen kann, wird als „kritischer Winkel“ bezeichnet.

 

Lichtstrahlen, die das Material in das umgebende Medium verlassen, werden gebrochen (ändern ihre Richtung). Bei größeren Einfallswinkeln werden sie jedoch vollständig in das Material zurückreflektiert und verlassen das Material überhaupt nicht. Je höher der Refraktionsindex des Materials ist, desto kleiner ist der Winkel, bei dem dieser Effekt auftritt.

 

 

Um dieses Phänomen in AR-Brillen zu nutzen, stellen Sie sich einfach vor, dass ein „Eingangskoppler“ es möglich macht, dass Licht von der Optik-Engine in einem Winkel in den Wellenleiter eingeleitet wird, der größer als der kritische Winkel ist. Das Licht würde sich dann nur innerhalb dieses Glases bewegen und durch den TIR-Effekt gefangen bleiben. In der Mitte des Kombinierers trifft das Licht auf einen „Auskoppler“. Dieser kann es extrahieren und auf die Augen des Betrachters richten.  

 

Bei einem wellenleiterbasierten AR-Headset wird das Licht vom Bildschirm mittels eines Eingangskopplers in den Wellenleiter am Rand eingespeist. Es reist dann durch den Wellenleiter mittels TIR und wird ausgekoppelt, wenn es den Punkt genau vor dem Auge des Betrachters erreicht.

 

Damit ein Wellenleiter wie dieser tatsächlich funktioniert, ist eine enorme Menge an Technologie und Raffinesse erforderlich. Aber sie funktionieren und sind bereits im Einsatz. 

Der Vorteil von Wellenleitern besteht darin, dass mit ihnen ein Headset konstruiert werden kann, das fast wie eine normale Brille aussieht und sich auch ähnlich anfühlt. Dies bringt uns unserem Ziel näher, ein Produkt zu entwickeln, das ausreichend klein, leicht und benutzerfreundlich ist, um eine breite Verbraucherakzeptanz zu erreichen. 

 

Bahnbrechende Wellenleitermaterialien

Wellenleiter funktionieren aufgrund des TIR-Effekts, und dazu gibt es noch etwas Wichtiges, das man wissen sollte. Bei zunehmendem Brechungsindex des Materials tritt TIR für Lichtstrahlen, die auf die Grenzfläche treffen, bei immer kleineren Winkeln auf. Dies bedeutet, dass sie über einen größeren Winkelbereich reflektiert werden.

Dies bedeutet, dass durch die Verwendung eines Materials mit höherem Brechungsindex für den Wellenleiter ein weiteres Sichtfeld erzielt werden kann. Und das Sichtfeld (FOV) ist der Schlüssel zur Erzeugung des immersiven Erlebnisses, welches AR-Systemdesigner anstreben. 

 

Ein Wellenleiter aus einem Material mit hohem Refraktionsindex bietet dem Betrachter ein größeres Sichtfeld und erzeugt dadurch eine viel bessere immersive Nutzererfahrung.

 

Das Problem besteht darin, dass der Brechungsindex herkömmlicher optischer Gläser das mit der eben beschriebenen Art von Wellenleitern erreichbare Sichtfeld stark einschränkt. Glashersteller haben darauf reagiert, indem sie Materialien mit höherem Brechungsindex entwickelt haben. Und sie haben eine beeindruckende Arbeit abgeliefert. Sie können jedoch die grundsätzlichen Einschränkungen ihrer Materialien nicht überwinden. Derzeit liegt der höchste mit Glas erreichbare Brechungsindex bei etwa 2,0.  

Neben Glas gibt es aber auch weitere Materialien, die sichtbares Licht durchlassen. Und einige von ihnen haben sowohl höhere Brechungsindizes als auch andere wünschenswerte physikalische Eigenschaften. Zwei davon sind kristallline Materialien – Lithiumniobat (LiNbO₃) mit einem Brechungsindex von 2,3 und Siliziumkarbid (SiC) mit einem Brechungsindex von 2,7.  

Die theoretische Beziehung zwischen dem Brechungsindex des Wellenleiters und dem FOV des Bildschirms ist in der Grafik dargestellt. In der Theorie verspricht SiC, das mögliche Bildschirm-Sichtfeld gegenüber dem höchsten mit Glas erreichbaren Index zu verdoppeln. Dadurch wird es zu einem Game Changer für den AR-Brillen-Designer. 

 

Die theoretische Beziehung zwischen dem Brechungsindex des Wellenleitermaterials und dem maximal möglichen Sichtfeld ist in der Grafik dargestellt. Sowohl LiNbO₃ als auch SiC bieten äußerst große Vorzüge gegenüber Glasmaterialien.

 

Materialien mit hohem Brechungsindex haben neben dem größeren Sichtfeld noch einen weiteren Vorteil. Aktuelle Wellenleiterdesigns verwenden oft entweder zwei oder drei separate Gläser – eines für jede Farbe (oder eines davon für zwei Farben). Insbesondere der höhere Index von SiC bietet die Möglichkeit, alle drei Farbkanäle (Rot, Grün und Blau) in einem einzigen Wellenleiter zu kombinieren. Dies würde zu einer erheblichen Verbesserung der Größe, des Gewichts und der Kosten des Headsets führen. Außerdem ist SiC ein außergewöhnlich robustes und leichtes Material.

Sowohl LiNbO₃ als auch SiC bieten praktische und leistungsbezogene Vorteile gegenüber hochbrechenden Gläsern, sind aber auch teurer. Andererseits kann ihr Einsatz die Komplexität des Gesamtsystems und dessen Herstellung verringern, was zu niedrigeren Produktionskosten führen kann. 

Coherent ist der Meinung, dass diese Materialien eine neue Generation von AR-Geräten mit einem überzeugenden Kosten-Nutzen-Verhältnis für Verbraucher möglich machen. Wir sind für beide Materialien bereits ein Hersteller mit vertikaler Integration – vom Kristallwachstum bis zur Substratherstellung. Und wir können auch andere Wellenleiterkomponenten herstellen, einschließlich diffraktiver Koppler und optischer Beschichtungen. Darüber hinaus sind alle unsere Herstellungsprozesse auf Großformate und große Stückzahlen skalierbar. Wir sind bereit, mit AR-Systemdesignern zusammenzuarbeiten, um Wellenleiter-Bildschirme auf Basis dieser Materialien zu entwickeln und sie dann zuverlässig bei der Massenproduktion zu unterstützen. 

Erfahren Sie mehr über LiNbO₃ und SiC von Coherent